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<strong>Ma-ai</strong> (jap: 間合い, Transkription: YYY, Lautschrift: MMM). Kurzzusammenfassung.
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<strong>Ma-ai</strong> (間合い, ''Ma-ai'', Lautschrift: ma/ai‾). Beschreibt Nähe und Distanz zwischen [[Shibarite]] und [[Ukete]]. Es ist die zweite der [[Neun Pforten]] des [[Osada-Ryū]]. Der Begriff stammt aus der japanischen Kampfkunst und spielt vor allem im Kendō eine grosse Rolle. Es wird im Shibari im gleichen Sinne gebraucht.


== Bedeutung ==
== Bedeutung ==
Ma-ai, wie es im Shibari gebraucht wird, geht hauptsächlich auf das gleichnamige Konzept aus dem Kendō zurück. In diesem Konzept verbindet sich eine räumliche und eine zeitliche Komponente. Es gibt allerdings auch die Raumtheorie nach [https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_T._Hall Edward T. Hall], die eine ähnliche räumliche Zonenaufteilung vornimmt und diese als [https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_T._Hall#Kulturdimensionen_Halls Kulturdimension] versteht.


=== Ma-ai in den japanischen Kampfkünsten und im Shibari ===
Ma-ai bedeutet wörtlich "Pause", "Distanz" ''"''Abstand", aber auch "der richtige Augenblick", "Timing", "Gelegenheit" oder "Chance".<ref>https://www.wadoku.de/entry/view/3194967</ref> Es hat also eine räumliche und eine zeitliche Komponente und verbindet zwei Dimensionen, die im europäischen Denken strenger getrennt werden. Hier ist auch die Abgrenzung zu [[Tachi-ichi]] deutlich, das sich klarer auf die räumliche und emotionale Position bezieht, die zeitliche Dimension aber nicht mit abdeckt.
Ma-ai ist dynamisch und verändert sich mit jedem Moment der Fesselbegegnung. Jeder Positionswechsel ist automatisch auch ein Wechsel im Ma-ai, was die räumliche Dimension betrifft. Gleichzeitig ist es wichtig, jede Handlung zum richtigen Moment zu tun. Es kommt also nicht nur darauf an, aus der richtigen Distanz heraus zu agieren, sondern auch, im richtigen Moment zu agieren. Das bedeutet, einen Sinn und ein Gefühl für das richtige Timing mit zu trainieren.
Grundsätzlich kann man zwischen drei Stufen der räumlichen Distanz unterscheiden<ref>{{Literatur |Autor=Hiroshi Ozawa |Titel=Kendo - The Definitive Guide |Verlag=Kodansha International |Ort=Tokio |Datum=1997 |Sprache=en |ISBN=4-7700-2119-4 |Seiten=38-41}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Jin'ichi Tokeshi |Titel=Kendo: Elements, Rules, and Philosophy |Auflage=1. |Verlag=University of Hawaii Press |Ort=Honolulu |Datum=2003-06-01 |Sprache=en |ISBN=978-0-8248-2598-0 |Seiten=97}}</ref>:
# Weite Distanz (''Tōma'')
# Mittlere Distanz (''Issoku ittō no maai'' oder kurz ''Itto-ma''). Wörtlich: Ein-Schritt-ein-Schwert-Distanz. Auch: ''Chūma''
# Kurze Distanz (''Chikama'')
==== Weite Distanz (''Tōma'') ====
Die weite Distanz ist hier die neutralste Position. Hier befinden sich Shibarite und Ukete am weitesten voneinander entfernt. In der Regel ist das eine Distanz, in der sich Fremde begegnen, ohne, dass es sich "zu nah" anfühlt. Es kann auch eine Distanz sein, in der Shibarite und Ukete sich mit ausgestreckten Armen nicht berühren können. Auf diese Weise ist der Kontakt auf Blickkontakt und verbale Kommunikation beschränkt. Dies schafft für Ukete das grösste Sicherheitsgefühl, weil Shibarite die Freiheit nicht direkt nehmen kann.
==== Mittlere Distanz (''Itto-ma'' /''Chūma'') ====
Im Kendō beschreibt diese Distanz eine räumliche Distanz von etwa zwei Metern, so dass es nur einen Schritt braucht, um den Gegner mit dem Bambusschwert treffen  zu können. Dies ist im Kendō die wichtigste Distanz, aus der heraus die meisten Aktionen stattfinden. Werden andere Waffen verwendet, oder waffenlos gekämpft, wird diese Distanz sich verändern und länger (bei Langstöcken) und kürzer (im waffenlosen Kampf) werden. Im Shibari ist die mittlere Distanz ist die, in der bereits Körperkontakt stattfinden kann. Der persönliche Nahbereich wird betreten, Shibarite und Ukete begegnen sich bereits auf einer Ebene, die intim ist, aber noch nicht unbedingt sinnlich oder sexuell sein muss. Hier kann direkt körperlich interagiert werden und die Fesselbegegnung mit dem Seil kann beginnen.
==== Kurze Distanz (''Chikama'') ====
Die kurze Distanz schafft die grösstmögliche körperliche Nähe zwischen Shibarite und Ukete. Der Körperkontakt spielt hier eine grössere Rolle und kann sehr intensiv werden. Intensives Umarmen und grossflächiger Körperkontakt sind hier leicht möglich.
==== Timing ====
Aber Ma-ai hat nicht nur eine physikalisch-räumliche, sondern auch eine emotional-räumliche Dimension. Je nach der inneren Haltung von Shibarite und Ukete kann sich eine kurze Distanz emotional sehr weit weg anfühlen oder sehr nah. Das Gefühl, das vermittelt wird, hängt nicht allein von der Entfernung zwischen den Personen ab, sondern auch von der Intensität und Intention, mit der eine gewisse Distanz eingenommen wird. Ist zum Beispiel in der mittleren Distanz eine ansteigend Spannung zwischen den Personen spürbar, wird der emotionale Raum als kleiner oder enger empfunden, als es die reine Entfernung vermuten lässt.
Im Kendō wird diese zeitliche Komponente mit dem Begriffen ''Kokoro no maai'' (Mentaler Abstand) und ''Kyo-jitsu''<ref>{{Internetquelle|autor=Hiro|url=https://www.kendo-guide.com/kyo-and-jitsu.html|titel=Kendo Terminology: Kyo and Jitsu|werk=Kendo-Guide.com|datum=n/a|sprache=en|archiv-url=https://web.archive.org/web/20230701054838/https://www.kendo-guide.com/kyo-and-jitsu.html|archiv-datum=2023-07-01}}</ref> (Leere - Vollheit des [[Ki]]) bezeichnet. Es bezeichnet hier die mentale Bereitschaft der Kendō-ka für einen Angriff oder die Verteidigung und das Ziel ist es, im Moment der eigenen Bereitschaft einen Moment der Nicht-Bereitschaft des Gegners zu erkennen und zu nutzen.<ref>{{Internetquelle|autor=Noma Hisashi, Kyoshi|url=kendo.union.rpi.edu/Kendo%20Reader%20(Noma%20Hisashi).pdf|titel=The Kendo Reader|datum=2003|sprache=en}}</ref>
=== Distanzzonen nach Edward T. Hall ===
[[Datei:Personal Space.svg|mini|Diagram representation of personal space limits, according to Edward T. Hall's interpersonal distances of man, showing radius in feet and meters. Inspired by Reaction-bubble.png by Libb Thims. See the license [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en here].]]
Ein westliches Konzept, das den Raum ähnlich betrachtet, sind die Distanzzonen nach [https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_T._Hall Edward T. Hall]. Die Raumorientierung nach Edward T. Hall beschreibt die räumliche Konstellation von Kommunikationspartnern. Hall unterscheidet hier vier Distanzzonen: die intime, persönliche, soziale und öffentliche Distanzzone.<ref>{{Internetquelle|url=https://www.ikud.de/glossar/raumorientierung-kulturdimension-nach-edward-t-hall.html|titel=Raumorientierung nach Edward T. Hall|werk=IKUD Seminare|hrsg=IKUD® Seminare|datum=n/a|sprache=de|archiv-url=https://web.archive.org/web/20230701061800/https://www.ikud.de/glossar/raumorientierung-kulturdimension-nach-edward-t-hall.html|archiv-datum=2023-07-01}}</ref><ref>{{Internetquelle|autor=Ibinuphis|url=https://ibinuphis.wordpress.com/2020/01/10/ma-ai-oder-das-spiel-mit-der-nahe-und-distanz/|titel=Ma-ai oder das Spiel mit der Nähe und Distanz|werk=Ibinuphis' Webblog|sprache=de|archiv-url=https://web.archive.org/web/20230701061847/https://ibinuphis.wordpress.com/2020/01/10/ma-ai-oder-das-spiel-mit-der-nahe-und-distanz/|archiv-datum=2023-07-01}}</ref>
Diese Distanzzonen sind ein Modell, dass den kommunikativen Raum zwischen Personen strukturiert und die Wirkung und das Verhältnis der Personen auf- bzw. zueinander darstellt. Das Modell von Hall ist konkreter und filigraner als das Ma-ai, wie es im Kendō beschrieben wird. Es erlaubt damit eine feinere Abstufung, die sich auch in Unterrichtskonzepten konkreter umsetzen lässt.
Allerdings funktionieren Distanzzonen in zwei Aspekten anders als das Ma-ai der Kampfkünste: Sie fokussieren lediglich auf die räumliche Distanz, während Ma-ai auch eine zeitliche Komponente beinhaltet und zweitens sind sie statisch. Ma-ai hingegen ist dynamisch und beschreibt die "angemessene" Distanz.<ref>{{Internetquelle|autor=Aj van Dijk|url=https://the-digi-dojo.com/principles/maai-2/|titel=The Real Meaning of Maai|werk=The Digi Dojo|hrsg=The Digi Dojo|sprache=en|archiv-url=https://web.archive.org/web/20230702194427/https://the-digi-dojo.com/principles/maai-2/|archiv-datum=2023-07-02}}</ref>
Die Distanzzonen können trotzdem ein angemessenes Instrument sein, um die Distanzen strukturiert darzustellen und mit der Lebenswelt der Lernenden zu verbinden, um danach zu den komplexeren und dynamischeren, weniger klar definierten Paramater des Ma-ai überzuleiten.


== Kontext ==
== Kontext ==


Die richtige Distanz und der richtige Moment sind entscheidend im Shibari. Das geschickte Spiel mit der physikalisch-räumlichen und emotional-räumlichen Distanz und dem richtigen Moment für jede Handlung erzeugt in sich Dynamik. Diese Dynamik wird bedeutungsvoll, weil sie emotionale Reaktionen in Shibarite und Ukete auslöst. Darum muss das Ma-ai geübt und sein Einsatz immer wieder trainiert werden.


== Galerie ==
Jede Bewegung und jede Berührung verändert gleichzeitig auch das Ma-ai, weil jede Aktion zu einem bestimmten Moment in einer bestimmten Distanz stattfindet. Das heisst auch, dass in jedem Augenblick der Fesselbegegnung das Ma-ai eine Rolle spielt und es hier keine Unterbrechung gibt.
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Yomiuri-fuuzokuyasi.jpg|alt=読売の姿を描いた絵|"Bettler", Illustration zum, Text, aus: "Inoffizielle Chronik der Bräuche in Tokio und Edo" ({{Jpan|江戸と東京 風俗野史}}), 1930
Return from the Year-end Fair (Tori-no-ichi) at Sensoji, Asakusa, by Ito Seiu, 1935 - Edo-Tokyo Museum - Sumida, Tokyo, Japan - DSC06844.jpg|alt=浅草浅草寺|[[Sensō-ji]] in [[Asakusa]], Tokio
Spirits of the deceased returning from the afterlife during the Bon Festival, by Ito Seiu - Edo-Tokyo Museum - Sumida, Tokyo, Japan - DSC06883.jpg|alt=お盆の精霊馬|[[Obon]]-Geisterpferd
Okiku, ghost of a young woman counting nine pieces of plates by the wall, by Ito Seiu - Edo-Tokyo Museum - Sumida, Tokyo, Japan - DSC06859.jpg|alt=番町皿屋敷|"[[:en:Banchō Sarayashiki|Das Tellerhaus von Banchō]]" ({{Jpan|番町皿屋敷}}, ''Banchō sarayashiki'').
Kaidan Botan Doro, ghost of a young woman and her attendant who appear every night with a lantern, by Ito Seiu - Edo-Tokyo Museum - Sumida, Tokyo, Japan - DSC06847.jpg|alt=牡丹灯籠|Bild zum Roman "Die Päonien-Lampe" ([[牡丹灯籠]], ''Botan dōrō'') von San'yutei Encho.
Ubume, ghost of a woman who died in pregnancy or child birth, carrying a baby, by Ito Seiu - Edo-Tokyo Museum - Sumida, Tokyo, Japan - DSC06854.jpg|alt=産女|Geist einer im Kindbett gestorbenen Frau ([[産女]], ''Ubume'')
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Dieser konstante Fluss spielt auch bei anderen Pforten eine Rolle, zum Beispiel bei [[Kankyū]]. (Rhythmus, Dynamik). Diese Effekte, die sich wechselseitig verstärken, sind wichtige Grundfähigkeiten, um intensive Shibari-Begegnungen zu ermöglichen und können durch verschiedene Übungen trainiert werden.
== Literatur ==
== Literatur ==
 
* Edward T. Hall, ''The Hidden Dimension.'' Garden City, New York 1966, <nowiki>ISBN 978-0-385-08476-5</nowiki> . deutsch: ''Die Sprache des Raumes.'' Düsseldorf 1976, <nowiki>ISBN 978-3-590-14228-2</nowiki> .
* Liste Literatur
*


== Weblinks ==
== Weblinks ==


* Liste Links
* [http://kendo.union.rpi.edu/Kendo%20Reader%20(Noma%20Hisashi).pdf The Kendo Reader]
* [https://ibinuphis.wordpress.com/2020/01/10/ma-ai-oder-das-spiel-mit-der-nahe-und-distanz/ Ma-ai oder das Spiel mit der Nähe und Distanz]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
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[[Kategorie:Begriff]]
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Aktuelle Version vom 2. Juli 2023, 19:51 Uhr

Eiga Sensei in a perfect kamae. Author: Kosi Gramatikoff, ori: Samsung-Digimax A402, mod: Adobe Photoshop CS2: KPT,EQLZ, B&C, Curves Time/Place: Mori Hai Memorial Tournament, jan 29, 2006, Norwalk, California

Ma-ai (間合い, Ma-ai, Lautschrift: ma/ai‾). Beschreibt Nähe und Distanz zwischen Shibarite und Ukete. Es ist die zweite der Neun Pforten des Osada-Ryū. Der Begriff stammt aus der japanischen Kampfkunst und spielt vor allem im Kendō eine grosse Rolle. Es wird im Shibari im gleichen Sinne gebraucht.

Bedeutung

Ma-ai, wie es im Shibari gebraucht wird, geht hauptsächlich auf das gleichnamige Konzept aus dem Kendō zurück. In diesem Konzept verbindet sich eine räumliche und eine zeitliche Komponente. Es gibt allerdings auch die Raumtheorie nach Edward T. Hall, die eine ähnliche räumliche Zonenaufteilung vornimmt und diese als Kulturdimension versteht.

Ma-ai in den japanischen Kampfkünsten und im Shibari

Ma-ai bedeutet wörtlich "Pause", "Distanz" "Abstand", aber auch "der richtige Augenblick", "Timing", "Gelegenheit" oder "Chance".[1] Es hat also eine räumliche und eine zeitliche Komponente und verbindet zwei Dimensionen, die im europäischen Denken strenger getrennt werden. Hier ist auch die Abgrenzung zu Tachi-ichi deutlich, das sich klarer auf die räumliche und emotionale Position bezieht, die zeitliche Dimension aber nicht mit abdeckt.

Ma-ai ist dynamisch und verändert sich mit jedem Moment der Fesselbegegnung. Jeder Positionswechsel ist automatisch auch ein Wechsel im Ma-ai, was die räumliche Dimension betrifft. Gleichzeitig ist es wichtig, jede Handlung zum richtigen Moment zu tun. Es kommt also nicht nur darauf an, aus der richtigen Distanz heraus zu agieren, sondern auch, im richtigen Moment zu agieren. Das bedeutet, einen Sinn und ein Gefühl für das richtige Timing mit zu trainieren.

Grundsätzlich kann man zwischen drei Stufen der räumlichen Distanz unterscheiden[2][3]:

  1. Weite Distanz (Tōma)
  2. Mittlere Distanz (Issoku ittō no maai oder kurz Itto-ma). Wörtlich: Ein-Schritt-ein-Schwert-Distanz. Auch: Chūma
  3. Kurze Distanz (Chikama)

Weite Distanz (Tōma)

Die weite Distanz ist hier die neutralste Position. Hier befinden sich Shibarite und Ukete am weitesten voneinander entfernt. In der Regel ist das eine Distanz, in der sich Fremde begegnen, ohne, dass es sich "zu nah" anfühlt. Es kann auch eine Distanz sein, in der Shibarite und Ukete sich mit ausgestreckten Armen nicht berühren können. Auf diese Weise ist der Kontakt auf Blickkontakt und verbale Kommunikation beschränkt. Dies schafft für Ukete das grösste Sicherheitsgefühl, weil Shibarite die Freiheit nicht direkt nehmen kann.

Mittlere Distanz (Itto-ma /Chūma)

Im Kendō beschreibt diese Distanz eine räumliche Distanz von etwa zwei Metern, so dass es nur einen Schritt braucht, um den Gegner mit dem Bambusschwert treffen zu können. Dies ist im Kendō die wichtigste Distanz, aus der heraus die meisten Aktionen stattfinden. Werden andere Waffen verwendet, oder waffenlos gekämpft, wird diese Distanz sich verändern und länger (bei Langstöcken) und kürzer (im waffenlosen Kampf) werden. Im Shibari ist die mittlere Distanz ist die, in der bereits Körperkontakt stattfinden kann. Der persönliche Nahbereich wird betreten, Shibarite und Ukete begegnen sich bereits auf einer Ebene, die intim ist, aber noch nicht unbedingt sinnlich oder sexuell sein muss. Hier kann direkt körperlich interagiert werden und die Fesselbegegnung mit dem Seil kann beginnen.

Kurze Distanz (Chikama)

Die kurze Distanz schafft die grösstmögliche körperliche Nähe zwischen Shibarite und Ukete. Der Körperkontakt spielt hier eine grössere Rolle und kann sehr intensiv werden. Intensives Umarmen und grossflächiger Körperkontakt sind hier leicht möglich.

Timing

Aber Ma-ai hat nicht nur eine physikalisch-räumliche, sondern auch eine emotional-räumliche Dimension. Je nach der inneren Haltung von Shibarite und Ukete kann sich eine kurze Distanz emotional sehr weit weg anfühlen oder sehr nah. Das Gefühl, das vermittelt wird, hängt nicht allein von der Entfernung zwischen den Personen ab, sondern auch von der Intensität und Intention, mit der eine gewisse Distanz eingenommen wird. Ist zum Beispiel in der mittleren Distanz eine ansteigend Spannung zwischen den Personen spürbar, wird der emotionale Raum als kleiner oder enger empfunden, als es die reine Entfernung vermuten lässt.

Im Kendō wird diese zeitliche Komponente mit dem Begriffen Kokoro no maai (Mentaler Abstand) und Kyo-jitsu[4] (Leere - Vollheit des Ki) bezeichnet. Es bezeichnet hier die mentale Bereitschaft der Kendō-ka für einen Angriff oder die Verteidigung und das Ziel ist es, im Moment der eigenen Bereitschaft einen Moment der Nicht-Bereitschaft des Gegners zu erkennen und zu nutzen.[5]

Distanzzonen nach Edward T. Hall

Diagram representation of personal space limits, according to Edward T. Hall's interpersonal distances of man, showing radius in feet and meters. Inspired by Reaction-bubble.png by Libb Thims. See the license here.

Ein westliches Konzept, das den Raum ähnlich betrachtet, sind die Distanzzonen nach Edward T. Hall. Die Raumorientierung nach Edward T. Hall beschreibt die räumliche Konstellation von Kommunikationspartnern. Hall unterscheidet hier vier Distanzzonen: die intime, persönliche, soziale und öffentliche Distanzzone.[6][7]

Diese Distanzzonen sind ein Modell, dass den kommunikativen Raum zwischen Personen strukturiert und die Wirkung und das Verhältnis der Personen auf- bzw. zueinander darstellt. Das Modell von Hall ist konkreter und filigraner als das Ma-ai, wie es im Kendō beschrieben wird. Es erlaubt damit eine feinere Abstufung, die sich auch in Unterrichtskonzepten konkreter umsetzen lässt.

Allerdings funktionieren Distanzzonen in zwei Aspekten anders als das Ma-ai der Kampfkünste: Sie fokussieren lediglich auf die räumliche Distanz, während Ma-ai auch eine zeitliche Komponente beinhaltet und zweitens sind sie statisch. Ma-ai hingegen ist dynamisch und beschreibt die "angemessene" Distanz.[8]

Die Distanzzonen können trotzdem ein angemessenes Instrument sein, um die Distanzen strukturiert darzustellen und mit der Lebenswelt der Lernenden zu verbinden, um danach zu den komplexeren und dynamischeren, weniger klar definierten Paramater des Ma-ai überzuleiten.

Kontext

Die richtige Distanz und der richtige Moment sind entscheidend im Shibari. Das geschickte Spiel mit der physikalisch-räumlichen und emotional-räumlichen Distanz und dem richtigen Moment für jede Handlung erzeugt in sich Dynamik. Diese Dynamik wird bedeutungsvoll, weil sie emotionale Reaktionen in Shibarite und Ukete auslöst. Darum muss das Ma-ai geübt und sein Einsatz immer wieder trainiert werden.

Jede Bewegung und jede Berührung verändert gleichzeitig auch das Ma-ai, weil jede Aktion zu einem bestimmten Moment in einer bestimmten Distanz stattfindet. Das heisst auch, dass in jedem Augenblick der Fesselbegegnung das Ma-ai eine Rolle spielt und es hier keine Unterbrechung gibt.

Dieser konstante Fluss spielt auch bei anderen Pforten eine Rolle, zum Beispiel bei Kankyū. (Rhythmus, Dynamik). Diese Effekte, die sich wechselseitig verstärken, sind wichtige Grundfähigkeiten, um intensive Shibari-Begegnungen zu ermöglichen und können durch verschiedene Übungen trainiert werden.

Literatur

  • Edward T. Hall, The Hidden Dimension. Garden City, New York 1966, ISBN 978-0-385-08476-5 . deutsch: Die Sprache des Raumes. Düsseldorf 1976, ISBN 978-3-590-14228-2 .

Weblinks

Einzelnachweise

  1. https://www.wadoku.de/entry/view/3194967
  2. Hiroshi Ozawa: Kendo - The Definitive Guide , Kodansha International , Tokio , 1997 , Sprache: en , ISBN 4-7700-2119-4
  3. Jin'ichi Tokeshi: Kendo: Elements, Rules, and Philosophy , 1. Aufl. , University of Hawaii Press , Honolulu , 2003-06-01 , Sprache: en , ISBN 978-0-8248-2598-0
  4. Hiro. Kendo Terminology: Kyo and Jitsu. [1]. Kendo-Guide.com. n/a. en. Archiviert von der Originalversion am 2023-07-01.
  5. Noma Hisashi, Kyoshi. The Kendo Reader. [kendo.union.rpi.edu/Kendo%20Reader%20(Noma%20Hisashi).pdf]. 2003. en.
  6. Raumorientierung nach Edward T. Hall. [2]. IKUD Seminare. IKUD® Seminare, n/a. de. Archiviert von der Originalversion am 2023-07-01.
  7. Ibinuphis. Ma-ai oder das Spiel mit der Nähe und Distanz. [3]. Ibinuphis' Webblog. de. Archiviert von der Originalversion am 2023-07-01.
  8. Aj van Dijk. The Real Meaning of Maai. [4]. The Digi Dojo. The Digi Dojo, en. Archiviert von der Originalversion am 2023-07-02.